Um
die erste Schock-Nachricht gleich zu Beginn zu verkünden: Ich bin
adoptiert. Das ist auch der Grund, warum Mama und ich uns nicht sehr
ähnlich sehen. Und auch auf kommunikativer Ebene hinkt es gewaltig.
Ich kann mir den Mund fusselig reden – die versteht mich einfach
nicht. Wahrscheinlich hat sie eine andere Rasse, die nicht so weit
entwickelt ist. Das hängt mit der Evolution und so zusammen.
Mit
meiner Schwester, Schnotti, bin ich auch nicht verwandt. Zum Glück.
Ich muss immer wieder feststellen, dass sie irgendwie komisch ist.
Manchmal komme ich nichtsahnend ins Zimmer und diese Irre springt
mich von hinten an. Also normal ist das nicht. Danach rennt sie durch
die gesamte Wohnung und läuft gegen Gegenstände, weil sie auf dem
Laminat nicht rechtzeitig bremst. Also mir passiert das nie. Selten.
Auf jeden Fall nicht so oft wie ihr.
Früher
dachte Mama, ich sei die intelligentere Katze von uns beiden. Hihi,
da habe ich sie ganz schön hinters Licht geführt. Eigentlich, so
glaube ich, bin ich nämlich überhaupt nicht schlau. Mir passieren
andauernd Dinge, die ich zuvor nicht geplant hatte. Letztens, da bin
ich aus Versehen an den Wasserhahn gekommen, als ich in die Badewanne
gesprungen bin. Daraufhin schoss das Wasser aus dem Duschkopf und hat
mich klitschnass gemacht. Es sollte keine große Überraschung sein,
dass ich dabei panisch geworden bin und so schnell wie möglich
wieder aus der Wanne wollte. Doch es wurde so nass und glitschig,
dass ich ständig ausrutschte.
Mama
schien sich ziemlich erschrocken zu haben, weil sie dachte, einer der
schweren Wandschränke wäre heruntergefallen. Zumindest kam sie nur
halb angezogen aus ihrem Zimmer gestolpert, als ich es gerade mit
letzter Kraft alleine herausschaffte. Dann lachte sie mich aus und
sagte, ich sähe aus wie ein begossener Pudel. Wir haben uns kurz
gestritten, als ich zum Abrubbeln kommen sollte, aber danach war
alles wieder gut. Seitdem gehe ich nicht mehr so gerne in die
Badewanne.
Gott
sei Dank hat Mama dafür gesorgt, dass sie nicht mehr so oft niesen
muss. Manchmal, wenn der Schnupfen schlimmer wird, fahren sie zu
diesem unheimlichen Mann mit den Nadeln. Aber wenn Schnotti wieder da
ist, dann geht es ihr viel besser.
Tja,
und dann wäre da noch Mama. Ich glaube, ich bin süchtig nach ihr,
weil sie mich so gut krabbeln kann. Ich muss dann zusehen, dass ich
nicht zu aufdringlich werde. Wenn wir ins Bett gehen, dann springe
ich immer gleich auf ihre Schulter. Sie sagt dann ständig, eine
Bombe würde einschlagen, weil ich mich wohl ziemlich dumm dabei
anstelle. Wenn Schnotti noch dazu kommt, kann sie sich überhaupt
nicht mehr bewegen und brummelt genervt vor sich hin. Meistens dürfen
wir aber trotzdem liegen bleiben.
Ich
glaube, Mama geht es oftmals nicht so gut. Morgens, wenn ihr Wecker
klingelt, steht sie manchmal einfach nicht auf. Ich merke, wie sie
mit sich ringt und versucht, ein Bein aus dem Bett zu bekommen. Uns
Katzen wird nachgesagt, dass wir eine ziemlich sensible Wahrnehmung
haben – deshalb merken wir sehr schnell, wenn etwas nicht stimmt.
Wenn
sie von der „Schule“ kommt, dann ist sie meistens fix und fertig.
Es scheint dort sehr anstrengend für sie zu sein, auch wenn es ihr
grundsätzlich gut gefällt. Zumindest hat sie sich kürzlich so
komische Nadeln bestellt, die sie sich selbst in die Haut sticht. Sie
meinte, das hätte sie gelernt und müsse jetzt geübt werden. Mich
stört das, weil ich währenddessen nicht auf ihren Schoß darf.
Natürlich versuche ich es dennoch ab und zu… hihi.
Schnotti
und ich vermuten, dass in Mama etwas kaputt ist oder nicht mehr
richtig funktioniert. Sie grübelt sehr viel und hat oft so schlechte
Gedanken und Gefühle. Ich glaube, sie hat noch nicht die Freude am
Leben gefunden. Oder an sich selbst. Wenn ich mit ihr schmuse, dann
spüre ich den Kloß in ihrem Hals. Manchmal ist er kleiner, manchmal
größer – aber er ist immer da. Das Herz schlägt dann schneller
und die Luft lässt sich schwerer ein- und ausatmen. Wenn es zu
schlimm wird, dann schluckt sie eine Tablette und wird danach etwas
ruhiger.
Vor
längerer Zeit war Mama mal in einer Klinik. Wir waren erleichtert,
als sie endlich auch mal zu einem Menschen ging, der so ähnlich war
wie der Mann mit den Nadeln. Seitdem kümmert sie sich mehr um ihre
Gesundheit. Viele Menschen scheinen ein Problem damit zu haben, sich
Hilfe von außen zu holen. Ich verstehe das nicht. Als ich kahle
Stellen an meinen Pfoten hatte, ist Mama mit mir zu einem Mann
gefahren, der mir eine Salbe gegeben hat. Danach hörte das Jucken
auf und mir ging es wieder besser. Wer weiß, wie ich ansonsten heute
ausgesehen hätte. Vielleicht wie eine dieser Nacktkatzen.
Mama
hat uns mal erzählt, dass sie so oft traurig ist und dass jeder Tag
eine neue Herausforderung für sie darstellt. Und auch, dass ihre
Stimmung dauerhaft unter dem „Normallevel“ ist. Es gäbe zwar
auch einige Ausschläge nach oben, doch diese würden nicht wirklich
tief wirken. Sie haben keinen langanhaltenden Effekt. Nach einem
schönen Treffen kämpft sie bereits mit dem Nachhauseweg, weil es ihr
direkt nach der Situation wieder sehr schlecht geht. Umso schwerer
fällt es ihr dann eben auch, schöne Momente schmerzfrei
loszulassen.
Wegen
solcher Gefühle fällt es ihr übrigens auch schwer, regelmäßig zu
schreiben, obwohl sie das so gerne machen würde. Doch immer dann,
wenn sie unkreativ ist, macht sie das wütend. Und diese Wut kann sie kaum aushalten.
Naja,
so kam es eben, dass ich heute für sie geschrieben habe. Sie sagte
mal, manchmal hilft es, die Perspektive zu wechseln. Ich glaube, dass
das wahr ist. Nur Schnottis Perspektive möchte ich nicht so gerne
einnehmen – das wäre mir wirklich, wirklich etwas zu gruselig…
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