Vor
gut zweieinhalb Jahren habe ich mich entschieden, in Absprache mit
meiner Therapeutin und mit Freunden, einen Blog zu führen. Die Idee
entstand aus vielen Gründen: Selbsttherapie, Entlastung,
Entstigmatisierung. Mir selbst zu beweisen, dass an vielen
Vorurteilen eben nichts dran ist. Dem Schreiben einen Sinn zu geben –
ich schrieb doch so gern, nur eben nicht für mich selbst. Wieso
auch? Etwas nur für mich zu tun erschloss sich mir nicht.
Eigenleistung: Unzufriedenheit
vs. Tatendrang
Inzwischen
ist es manchmal so, dass ich von mir selbst gelangweilt bin. Ich
sträube mich, einen ähnlichen Inhalt immer und immer wieder in
anderen Worten auszudrücken. Meine Gedanken als Dauerschleife,
ein Schallplatten-Sprung. Zumindest kommt es mir so vor.
Wenn
ich mich doch selbst schon langweile, wie ergeht es dann den anderen?
Andererseits:
Muss ich nicht anderen Menschen zugestehen, selbst zu entscheiden,
wie sie Dinge finden und bewerten? Ich war unentschlossen. Das führte
zum Stillstand.
An
anderen Tagen überrascht mich Tatendrang. Sein Vorkommen erschien
mir zunächst sehr willkürlich, doch das ist er nicht.
Erfolgserlebnisse entspringen einer Eigenleistung. Etwas
leisten lässt sich oftmals nur, wenn die Kraft dazu ausreicht. Und
das mit der Kraft ist eben so eine Sache.
Es
ist wie so oft: Viele, viele Faktoren bedingen sich gegenseitig.
Manchmal so sehr, dass ich selbst nicht mehr durchsteige. Wenn ich
unzufrieden mit meinem Leben bin, dann bin ich meistens auch
unzufrieden mit dem, was ich schreibe. Folglich kann ich mir nichts
recht machen. Ich verwehre mir dann auch die Chance auf
Erfolgserlebnisse, es entwickelt sich eine Abwärtsspirale.
Eins führt zum Anderen. Ich werde wütend darüber, dass ich das
zulasse. Dann kommt die Hilflosigkeit. Wut. Sozialer Rückzug. Angst.
Wenn ich mir diese Zeilen laut vorlese, dann scheint mir das aus rationaler Sicht nach
einer logischen Folge von Ereignissen. Für mich jedoch ist das Beschriebene ein
kleiner Teil einer zweiten Ebene, die auf krankem Boden
gepflanzt wurde. Das Gerüst ist so instabil und wackelig, weil sein
Untergrund, die Basis, nicht gesund ist. Eine kleine
Welle wird dann zum Tsunami, der alles umhaut. Ihm
entgegen stellt sich oftmals noch die Willensstärke. Sie hat
meistens wenig Chance – das macht mir riesige Angst. Etwas unbedingt zu
wollen, aber nicht gegen eine Krankheit anzukommen, die sich nicht
richtig fassen lässt – das führt zu dem Gefühl absoluter
Hilflosigkeit.
Ich
werde eine Ausbildung im Gesundheitsbereich anfangen!
Ich
beginne bald eine Ausbildung. Das hoffe ich zumindest. Ich bin noch
nicht mutig genug, detaillierter zu werden. Auf der einen Seite
fürchte ich mich vorm Scheitern. Wenn das passieren sollte,
dann kann ich gut darauf verzichten, dass man mir dabei zuschaut.
Auf
der anderen Seite stehe ich noch auf Kriegsfuß mit ehemaligen
Erwartungen an mich selbst und der Realität, die mich
schon oft mit allzu viel Härte auf den Boden der Tatsachen
zurückgeworfen hat. Auch das hat wieder viel mit Akzeptanz zu tun.
Dazu
kommt noch, dass ich mir einst mein Leben doch ganz anders
vorgestellt habe: Nach dem Abitur war ich zwar immerzu
unentschlossen, was meine Berufswahl anging, doch ich sah mich schon
in ferner Zukunft irgendein Studium beenden und in das Berufsleben
einsteigen. Ich hätte damals nie gedacht, dass es mal zum täglichen
Kampf wird, aus dem verdammten Bett aufzustehen, rauszugehen,
am Leben teilzunehmen. Dass ich jahrelang Medikamente nehmen muss,
die mir dabei helfen, nicht apathisch irgendwo herumzuliegen. Dass
ich Dinge nicht mehr kann, die mir mal leichter fielen. Dass sich
allgemein alles so beschissen schwer anfühlen
würde.
Viel
Wert liegt in den kleinen Dingen...
Ich
lerne jedoch auch, die kleinen Dinge mehr wertzuschätzen. Wie
schön es ist, mal albern sein zu können. Das ist, zumindest für
mich, alles andere als selbstverständlich.
Manchmal
denke ich ganz bewusst darüber nach, wie gut es sich anfühlt, eine
Nachricht von einer Freundin oder einem Freund zu bekommen. Das
bedeutet nämlich, dass sich jemand aktiv Zeit genommen hat, um mit
mir in Kontakt zu kommen. Ist es nicht toll, wenn jemand sein Telefon
in die Hand nimmt, weil er an uns denkt? Darüber habe ich mir vor
ein paar Jahren keine Gedanken gemacht. Achtsamkeit lässt sich
lernen – und kann sehr bereichernd sein.
Beruflich
werde ich in den Gesundheitsbereich gehen. So viel sei gesagt.
In
einer therapeutischen Maßnahme sagte mal jemand zu mir:
„Frau A., wenn Sie wirklich eine Ausbildung zur Bürokauffrau machen möchten, dann tun Sie das. Dass Sie dafür qualifiziert sind, haben wir gesehen. Aber das allein wird Ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts bringen: Ihre Krankheit hat Sie so sehr im Griff, dass Sie von hinten kommen und Sie packen wird, wenn Sie etwas machen müssen, an dem Ihr Herz nicht hängt. Die Berufsaussichten und Ihre Qualifikationen können noch so gut sein. Ich rate Ihnen, etwas zu tun, was sie so gut es eben geht begeistern kann. Das ist Ihre beste Chance, das durchzustehen.“
Das
war brutal ehrlich, aber auch bitter nötig, denn sonst hätte ich
womöglich eine Entscheidung aus den völlig falschen Gründen
getroffen. Und das wäre sicherlich ein Fehler gewesen, den ich nicht
das erste Mal gemacht hätte.
Im
Großen und Ganzen muss ich mir eingestehen, dass ich einer
Regelmäßigkeit hinsichtlich meines Blogs nicht nachkommen
kann, dass ich mich oftmals selbst langweile und dass mir meine
eigenen Gedanken immer mal wieder auf die Nerven gehen. Hin und
wieder bin ich kurz davor, die Seite einfach zu löschen, damit ich
sie in irgendeine verrottete Schublade stecken kann. Ich weiß
jedoch genau, dass es Zeiten geben wird, an denen ich das bereuen
werde. Und mir ist klar: Ich würde mehr bereuen, etwas
auszulöschen, zu dem ich mal gestanden habe, als etwas existieren zu
lassen, dass mich manchmal langweilt. Und dann ist da eben noch die
kleine Hoffnung, dass sich irgendjemand dort draußen durch
das Geschriebene etwas weniger allein fühlt.
Das
wäre wirklich schön.
Tschaka!!! Du schaffst das ��
AntwortenLöschenDanke ☺️☺️
LöschenLiebe Madeline!
AntwortenLöschenIch muss mal sagen, ich bewundere Deine Ehrlichkeit wirklich über alle Maßen! Ich bin sicher, viele von uns, die nicht an einer Erkrankung wie Deiner leiden (oder es nicht wissen), reflektieren nicht einmal annähernd in dem Maße darüber, wo sie stehen und was noch kommen mag - mal abgesehen von Dingen, die die äußeren Lebensumstände betreffen.
Ich höre dieses Mal einen Realismus heraus, eine Art Annehmen Deiner Lebensumstände auf abgeklärtere Weise (soweit möglich), die Dir vielleicht einige Dinge leichter machen könnte. Dein Post ist extrem persönlich und zugleich von oben draufgeschaut - und sehr klug!
Die Ausbildung gibt dir äußere STruktur und kann Dir allein deswegen schon Gutes bringen - vielleicht erstmal nur auf DEN Gedanken konzentrieren statt auf die Leistungserwartung (ich weiß, leichter gesagt als getan).
Ich denke ganz oft an Dich und habe Dich in meinem Herzen - auch ohne Telefon in der Hand :)
Deine S.
Ein wirklich toller Blog! Danke für deine treffenden Umschreibungen, deine Offenheit, deine Klarheit in deiner punktuellen Unklarheit und deinen Humor!
AntwortenLöschenBin etwas erschreckt mich in so vielen deiner Texte "selbst zu lesen"
Meine Diagnose habe ich nun seit bald 2,5 Jahren. Diverse deiner Selbsterkenntnisse, Ängste, unklarheiten sind mir auch schon auf meiner Steilküste über den Weg gehoppelt.
Derzeit bin ich in einer "nimm das positive wahr und sei Dankbar für das wunderbare trotz dusseliger Krankheit" Phase. Selbst die Krankheit Werte ich derzeit positiv!
Bin gespannt wie lang diese Phase anhält :)
"Freue" mich derzeit sogar über Regen mit der Erkenntnis... ohne Regen würde ich die Sonne niemals so positiv schätzen können. Hoffe ich werde jetzt nicht noch manisch ;))
Thinking positiv.
Wünsche dir viel positive Realität, viele Erfolgserlebnisse beim Start in die Ausbildung! Tschakka...
Herzliche Grüße
Kathrin :)