Manchmal führt auch ein kleiner Tropfen zu einer großen Welle |
Gerade
denke ich
an einen Vortragsausschnitt
von Vera F. Birkenbihl, einer
bereits verstorbenen deutschen Managementtrainerin und
Sachbuchautorin. In
diesem YouTube-Hit
erklärt sie, dass Lachen
extrem gut für das Immunsystem sei und bereits nach wenigen
Sekunden dafür sorgt, dass
Glückshormone hervorgerufen
werden.
Wenn wir nun aber ärgerlich
sind und aktuell so überhaupt
keine Lust haben, irgendetwas witzig zu finden,
dann können wir unser
System austricksen, indem wir mindestens
60 Sekunden am Stück lächeln
– dadurch drücken
die involvierten Muskeln
auf die Nerven,
die
dem Gehirn weitergeben,
dass wir uns angeblich
in diesem Moment
freuen. Da
ich sowieso gerade furchtbar
miesepetrig in der Gegend herumsitze,
scheint das zumindest einen Versuch wert zu sein.
Grinsen
für den guten Zweck
So
weit, so gut. Inzwischen
hocke
ich hier seit bereits
fünf Minuten – und
grinse. Frau Birkenbihls
Aussage bewahrheitet sich an der Stelle, als sie davon sprach, wie
unglaublich dämlich das aussieht. Selbst
meine halbtote
Zimmerpflanze verfällt
in hässlichstes Gelächter, so dämlich sieht das aus.
Ich schäme mich furchtbar,
weil alles Gegenständliche
Augen und Gehässigkeit zu entwickeln scheint, ansonsten
tut sich an meiner Stimmung
jedoch nicht allzu viel.
Das Einzige, was ich bemerke,
ist, dass ich meinen
Herzschlag in meinen
vor Anstrengung zitternden
Lippen spüren kann.
Nachdem
ich über meinen Herzschlag in den Lippen meinen Puls ermittelt habe,
überlege ich, wie man wohl
ohne Messgerät den eigenen Blutdruck herausfinden
könnte. Schnell schließe
ich den Gedanken jedoch
wieder, weil ich ahne, dass er in großer Dummheit enden würde.
Das
Grinsen hingegen entwickelt
sich inzwischen
zum Ausdruck grenzdebiler
Bockigkeit, allein um mir zu beweisen, dass ich sehr wohl auch mal
standhaft bleiben kann, während ich da so ganz marginal mein Ziel
aus den Augen verliere.
Ende
der Geschichte: Ich habe
immer noch schlechte Laune. Nicht aus denselben
Gründen wie zuvor,
sondern infolgedessen,
dass ich mir durch diese sehr
blöde Idee unglücklich
den Unterkiefer ausgerenkt zu
haben scheine. Zudem
bemerke ich ein leichtes
Ungleichgewicht beider Gesichtshälften, von denen mir die linke
Seite auffällig taub erscheint. Grinsen
kann ich demnach zum jetzigen Zeitpunkt wirklich nicht
weiterempfehlen – weder optisch, noch gesundheitlich. Die Risiken
sind einfach zu groß.
Doch
komme ich auch nicht umhin, es als
eine recht passable Leistung anzusehen,
mal eben mehrere Minuten
am Stück gegrinst zu haben, obwohl ich ganz genau wusste, dass der
Zug schon nach der zweiten Minute abgefahren war. Durchhalten, das
kann ich.
Die
Stimme von außen kann mächtig sein
Allgemein
verfüge ich in vielerlei Hinsicht über ein ausgezeichnetes
Durchhaltevermögen. Wenn man den Begriff mal aufdröselt, dann bin
ich in erster Linie gut im durchgängigen Halten. Und das wiederum
bedeutet, dass ich stehe. Nichts mit vorwärts oder rückwärts,
links oder rechts. Einfach stehen. Und davon tut mir echt mal
ordentlich der Rücken weh.
Wenn
man sich das mit dem Halten mal bildhaft vorstellt: Ich stehe
inmitten eines riesigen Platzes und egal, in welche Richtung ich
gehen will, muss ich zuerst ein unglaublich großes Hindernis
überqueren. Und hinter jedem Hindernis wartet schon das nächste.
Wenn ich da dann so verwirrt herumstehe und überfordert bin mit
diesen ganzen Hürden, dann erscheint es mir das Sicherste, erst
einmal stehen zu bleiben und niedlich zu blinzeln. Und dann kommt auf
einmal eine Stimme von der Seite und sagt das wohl Unangebrachteste,
das man in dieser Situation sagen kann:
„Vielleicht
musst du einfach mal verstehen, dass das Leben zum Großteil aus
Hindernissen besteht und die Schwierigkeiten immer überwiegen
werden.“
Nachdem
ich mich von meinem Lachanfall wieder erholt habe, will ich ehrlich
zu der Stimme sein: Das ist ein Satz, der zuallererst Ausdruck der
eigenen Resignation ist. Denn wenn es sowieso allgemein und bei jedem
der Fall ist, dass das Negative im Leben überwiegt, dann kann man
sich dem Ganzen doch auch einfach widerstandslos fügen und
vermeintlich stark erscheinen, indem man die Dinge aushält. Das ist
sowohl Augenverschließen als auch falsche Überzeugung zugleich.
Übersetzt man den Satz in eingebildete Wahrheit, dann würde er so
lauten:
„Vielleicht
musst du einfach mal verstehen, dass das Leben scheiße ist und auch
nicht besser werden wird. Also komm damit klar, so wie ich damit klar
komme.“
Und
dann ist die Stimme ganz verdattert, als ich ihr sage, dass das Leben
gar nicht grundsätzlich schlecht und ungerecht ist, während ich da
so ungeniert in meinem persönlichen Müllhaufen herumwühle und
unter dem ganzen Dreck nicht mal mehr den Notausgang entdecke.
Es
mag zunächst konträr erscheinen, wenn ausgerechnet ich das sage.
Das kommt daher, dass ich innerhalb der letzten zwei Jahre gelernt
habe, weitsichtiger zu denken und zu differenzieren. Das Leben ist
nicht grundsätzlich schlecht. Damit tut man ihm Unrecht.
Durch Pauschalisierungen tut man immer irgendwem Unrecht. Etwas
anderes wäre es zu sagen, dass das eigene Leben recht
bescheiden verläuft, weil es einzig und allein im persönlichen
Ermessen liegt, das zu beurteilen. Für das Leben in Bezug auf die
Gesamtheit aller Lebewesen kann es keine wertende Verallgemeinerung
geben, da die unterschiedlichsten Individuen den Begriff viel zu
facettenreich gestalten, als dass er sich in eine Schublade stecken
ließe. Wer das dennoch versucht, vertuscht seine eigene
Unzufriedenheit mit seinem eigenen Leben, indem er relativiert.
Kleine
Sätze mit großen Auswirkungen
Besonders
schwierig wird es, wenn diese Stimme nun ausgerechnet einem sehr
labilen Menschen durch eine solche Aussage erzählt, dass er einzig
und allein mit den „simplen“ und alltäglichen Anforderungen des
Lebens nicht zurechtkommt. Das ist nicht nur falsch, sondern auch
gefährlich. Denn wenn das die Gedanken-Maschinerie einer Person in
Fahrt bringt, dessen Selbstbewusstsein oder Selbstwertgefühl
irgendwo in der Kraterlandschaft des Jupiters herumirrt, dann wird er
sich letztlich zum größten Vollidioten und Versager denunzieren,
der bereits an den leichtesten Aufgaben verzweifelt. Als den
Dummkopf, der nicht verstanden hat, wie das Leben funktioniert. Dem
erst die Welt erklärt werden muss, damit er an ihr nicht zerbricht.
Und
wozu führt das? Unter anderem zu eben dieser Tabuisierung einer
schwer greifbaren Krankheit. Aus Scham. Weil es doch eine Schwäche
sein könnte, emotional belastet zu sein. Weil man sich nicht traut,
auszusprechen, dass man eben nicht einfach vor so einer Hürde steht,
die jeder schon mal überwunden hat, sondern dass man gerade wirklich
und wahrhaftig unfähig ist, zu leben. Die eigene Erkrankung wird zum
Tabu-Thema aus Angst, durch die Reaktion auf diese Offenbarung
entwertet, nicht ernst genommen oder schlicht und ergreifend nicht
verstanden zu werden. Der Betroffene ist aber doch schon ausreichend
damit beschäftigt, sich selbst in die richtige Bahn zu lenken, als
auch noch nach außen den Schein wahren zu müssen. Und das dann auch
noch völlig zu Unrecht.
Die
eigene Krankheit „zerschweigen“ – Angst und Scham trotz
Mitgefühl und Verständnis
Unter
den Rückmeldungen, die ich infolge der Blog-Beiträge bekam, waren
einige Menschen, die mir von ihren eigenen Erfahrungen und Problemen
erzählt haben. Dass sie mit mir gesprochen haben, ist natürlich
schön und zeigt mir, dass oftmals der Wille sehr wohl vorhanden ist,
sich mitzuteilen. Doch kaum jemand von ihnen ist weitere Schritte
gegangen – geschweige denn, dass Freunde oder Familie eingeweiht
waren. Diese sind zwar niemals alleine dazu imstande, eine psychische
Erkrankung aufzufangen, doch oft ein wichtiger erster Schritt.
Zumindest können sie Wegbegleiter und bedeutsamen Unterstützer
darstellen. Doch man könnte eben auch von ihnen verurteilt oder ganz
einfach nicht verstanden werden.
Wenn
ich darüber nachdenke, dann merke ich jedes Mal, wie meine arme und
sehr sensible Halsschlagader langsam zu einem Ungetüm heranschwillt,
das kurz davor ist, im falschen Moment eine riesige Sauerei
anzurichten. Und zwar nicht wegen der Skrupel der Betroffenen –
diese sind eine logische Folge, gegen die weiterhin angegangen werden
muss. Mich ärgern in erster Linie die unnötigen und unbedachten
Aussagen, die dafür mitverantwortlich sind, dass es für viele eben
so schwierig ist, seine Situation zu kommunizieren. Denn viele, viele
heimlich Leidende haben sehr wohl Verständnis für solche
Erkrankungen, sie sehen die Dinge bereits richtig. Das
Beeinflussungspotential der Worte und Taten ihrer Mitmenschen ist
aber häufig so hoch, dass all das vorhandene Verständnis und
Mitgefühl, all die guten Wünsche und wahren Worte, für nahezu
jeden aufgebracht werden können, außer für sich selbst. Aus Angst
vor der Reaktion und auch aus Unmut, sich immer wieder neu erklären
zu müssen. Ich kann gar nicht zählen, wie viele Ratschläge ich
bekommen habe, die völlig richtig waren, die aber eben auch nur für
mich galten und selten für denjenigen selbst.
Wissen
beeinflusst nicht immer auch das Gefühl, das wir haben!
Viele
Vorurteile und Unwahrheiten entstehen natürlich auch und zum großen
Teil als Folge von Unwissenheit, doch ich möchte behaupten, dass das
Gefühl unabhängig davon eine ebenso große Rolle spielt. Denn das
Gefühl hinkt oft hinterher bei Dingen, die der Verstand schon längst
begriffen hat. Viele – darunter auch jene, die solch oberflächliche
Aussagen treffen – sind demnach gar nicht mal so unaufgeklärt,
doch die Depression löst noch immer eine negative Emotion aus, die
ganz eng mit dem Gefühl der Schwäche verbunden ist. Bei Krebs ist
es zum Beispiel anders:
„Du hast
Brustkrebs? Meine Güte, was bist du für eine starke Frau. Wie du
das alles durchstehst. Ich bewundere dich für deine Kraft.“
Es
ist überhaupt nicht falsch, das zu sagen. Im Gegenteil. Aber hat
schon mal jemand gehört, wie man einem Depressiven etwas Ähnliches
entgegenbringt? Und wie sollte das überhaupt klingen?
„Toll,
wie du zu Hause im Bett liegst und dir die Decke über den
Kopf ziehst. Ich bewundere deine Schwäche. Wie du das
alles nicht meisterst.“
Das
wäre zumindest die beiläufige Beobachtung eines in der Sicht
eingeschränkten Auges. Und diese Perspektive, die nur die äußere
Fassade betrachtet, reicht einfach nicht aus, um zu verstehen, was
dahinter vor sich geht.
Und
dann gibt es eben noch den K.O.-Satz, der die Dinge in ungerechter
Art und Weise relativiert:
„Ich bin auch
oft traurig. Solche Zeiten gehören eben zum Leben dazu, also stell
dich nicht so an!“
Sätze
dieser Art sind, wenn man wirklich schwer depressiv ist, nun wahrlich
nicht sehr konstruktiv. Vielmehr sind sie unreflektiert und
beinhalten eine Schuldzuweisung. Der Gedanke, jeder sei selbst an
seiner Depression verantwortlich, ist absurd, aber leider hier und da
noch immer präsent. Das undifferenzierte Auge sieht dann diesen
Menschen, der aus Mücken Elefanten zu machen scheint und die eigenen
„Problemchen“ vermeintlich dramatisiert – und diese Ansicht ist
in allererster Linie entwertend und engstirnig, auch wenn es ein gut
gemeinter Ratschlag sein sollte.
Mir
geht es schon viel besser, jetzt wo ich aufgehört habe, mich
anzustellen...
Ich
frage mich auch oft, was die Menschen tatsächlich erwarten, wenn sie
sagen, dass man sich zusammenreißen oder positiver in die Zukunft
schauen soll.
„Oh
ja, stimmt, danke für den Hinweis. Da habe ich noch gar nicht dran
gedacht. Geht mir schon viel besser“, sagt er und
schlendert selig in eine Zukunft, in der er ab jetzt dank dieser
Erkenntnis sehr viel besser mit dem Leben fertig werden wird.
„Du
hast recht! Die Zeit heilt alle Wunden. Und wenn du das schaffst,
dann schaffe ich das auch. Ich freue mich schon auf die kommenden
Jahre“, sagt sie und schaut nun viel zuversichtlicher
auf einen bunteren Lebensabschnitt, der ihr zuvor noch so unangenehm
grau erschien.
Das
ist zugegeben etwas zynisch, doch zeigt es auch deutlich, dass (gut
gemeinte) Ratschläge oft dann doch eher einer Keule gleichen, die
man seinem Gegenüber schwungvoll über die Rübe zieht. Aussagen
dieser Art bewirken in erster Linie, dass die momentane Situation und
die Auswirkungen der Krankheit auf ein Level herabgestuft werden,
welches die Anforderung mit sich bringt, es relativ mühelos zu
bestehen. Und so fühlen sich viele entweder zu nichts imstande, weil
sie den Erwartungen zurzeit nicht entsprechen können, oder aber sie
fühlen sich zunehmend einsamer, weil sie nicht verstanden werden.
Die
Individualität der Erkrankung schafft Raum für
unwahre und verzerrte Vorstellungen
Aufklärungsarbeit
ist ungemein wichtig, um gegen genau solche Stigmatisierungen
anzugehen. Doch wird es beinahe unmöglich sein, die Assoziation mit
Schwäche, Scham und Übersensibilität vollends aus den Köpfen zu
schaffen. Wegen eben solchen Aussagen, wegen Informationsmangel und
auch wegen der Unnahbarkeit der Krankheit als solche, die es so
schwer macht, sie zu fassen und zu verstehen.
Psychische
Erkrankungen kann man weder mit dem bloßen Auge erkennen noch anhand
von Blutbildern oder Röntgenaufnahmen diagnostizieren. Es lässt
sich eben nicht sagen: „Schau mal, mir tut‘s hier weh.“
Betroffene und Ärzte können zwar versuchen, durch
Beschreibungen und Erklärungen ein Bild zu kreieren, das die
Krankheit bis zu einer bestimmten Grenze nahbar werden lässt. Doch
wenn man sich vorstellt, dass psychische Erkrankungen immer auch die
emotionale Ebene und die eigene Identität betreffen, dann wird
deutlich, auf welch individuellem Grat wir eigentlich wandern, wenn
wir versuchen, diese Erkrankung realitätsnah und möglichst
allgemeingültig zu definieren. Und das wird immer auch einen Bereich
eröffnen, in dem sich Vorurteile und falsche Klischees bilden und
verbreiten können.
Die
Depression betrifft zumeist den Menschen als Ganzes – und somit
auch sehr persönliche Bereiche: Identität, Wahrnehmung, Gefühle,
Denken, Handeln, Körper. Die Depression ist so gesehen eine sehr
persönliche, eine sehr intime Erkrankung. Das macht sowohl die
Auswirkungen der Krankheit als auch den Leidensdruck der Betroffenen
dementsprechend individuell. Während körperlicher Schmerz in der
Regel ähnlich intensiv wahrgenommen wird, können seelische
Schmerzen völlig unterschiedliche Gefühle bei völlig
unterschiedlichen Menschen hervorrufen. Da wir Menschen aber immer
wieder den Drang haben, uns mit anderen Personen zu vergleichen, ist
es noch mal schwieriger, die Tatsache nachzuvollziehen, dass ein
anderer unter Dingen eben anders leidet, als man selbst.
Die
Depression ist ein junges Mädchen, das kauernd in der Ecke sitzt.
Oder?
Aus
diesen Gründen hockt auch immer ein weinendes Mädchen in der Ecke,
wenn Google versucht, die Depression bildhaft darzustellen: Nicht,
weil hauptsächlich Mädchen erkranken, sondern weil die junge Frau
diejenige ist, mit der die Depression am ehesten assoziiert wird. Das
kleine, naive Opfer, das in der dunklen Ecke sitzt und sich die
Tränen von der Wange wischt. Nichts mit Individualität. Alle leiden
gleich und sehen sogar noch gleich dabei aus – nämlich schwach und
hilflos. Viele Männer hingegen haben, unter dem Einfluss von (leider
noch nicht ganz veralteten) gender-orientierten Werten, den Anspruch
an sich selbst fest verankert, stark sein zu müssen und sich weniger
von Gefühlen leiten zu lassen. Das Bild vom Depressiven als eine
schwache Persönlichkeit, sei es bewusst oder unbewusst, hat jedoch
in vielen Köpfen noch stets seinen Platz. Und genau dann, wenn
menschliche Schwäche zum Makel wird, wird die Depression zur
geheimen Krankheit, über die so viele nicht sprechen wollen. Um den
sozialen Konsequenzen zu entgehen und sich selbst, zumindest
augenscheinlich, besser zu schützen. Und das wiederum zeugt nicht von
mangelndem Mitgefühl, sondern bedeutet Scham und Angst aus den
falschen Gründen. Wenn wir schon so weit sind, dass wir uns für
unsere Erkrankung schämen, dann sind wir bereits längst über den
Punkt hinaus, dringend daran arbeiten zu müssen, etwas an diesen
Gedanken und den negativen Gefühlen in Bezug auf psychische
Krankheiten zu verändern.
Oftmals
hapert es also nicht an der Empathie oder am Verständnis, sondern an
dem Gefühl, als Depressiver schwach und selbst an den eigenen
Problemen schuld zu sein. Und über etwas offen und frei zu sprechen,
das noch so sehr mit der eigenen Unfähigkeit in Verbindung gebracht
wird, kann eben sehr unangenehm sein.
Reden, reden, reden...
Was
man nun neben der privaten und öffentlichen Aufklärung über die
Erkrankung, über ihre Facetten und über Hilfsangebote noch tun
kann, ist, dass man Außenstehenden einen möglichen Umgang mit
Erkrankten zeigt und ihnen erklärt, dass manche Sätze wirklich
ungünstig und oft eben auch Ausdruck dafür sind, dass man eigene
Probleme hat, die auf diese Weise ignoriert, verdrängt oder
vertuscht werden. Die Menschen verstehen zu lassen, dass viele
Stigmen nicht wahr sind, auch wenn sie die Krankheit selbst nicht
richtig nachvollziehen können. Sie müssen nur glauben, was
Betroffene ihnen anvertrauen und Mediziner ihnen erzählen. Ein
theoretisches Verständnis reicht vollkommen. Ein Selbsterlebnis oder
ein Nachvollziehen ist gar nicht nötig – und wäre auch zu viel
verlangt.
Also,
ihr da draußen, die es noch nicht mitbekommen habt:
Psychische Erkrankungen sind keine Schwäche! Sie sind keine Entscheidungen, die
wir treffen. Sie sind keine Krankheiten, die wir uns selbst aussuchen
oder die wir selbst verschuldet haben. Es kann jeden treffen. Geld
ist nicht gleichzusetzen mit Glück und Zufriedenheit, Armut ist
nicht gleichzusetzen mit Trauer und Resignation. Der äußere
Eindruck lässt niemals sichere Schlüsse auf den inneren Zustand
ziehen. Also legt Scham und Ängste beiseite oder helft jemandem
dabei, sich nicht schämen oder nicht ängstlich sein zu müssen.
Damit wäre schon viel getan.
Mein
Kiefer fühlt sich nun wieder etwas beweglicher an und meine Laune
hat sich leicht gebessert. Trotzdem werde ich jetzt noch eine Runde
Grinsen gehen – nur zur Sicherheit.
Hier das Video zum Vortragsausschnitt von Vera F. Birkenbihl:
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